Fast alle deutschen Schüler spielen, doch im Unterricht sind Games kein Thema. Nur wenige Pädagogen sind überzeugt, dass man Medienkompetenz nicht durch Spielverbote schafft. Sie organisieren Workshops, Spieletest-AGs und Lan-Partys an ihren Schulen. Games als Unterrichtsfach - ein Überblick.

Es ist still im Computerraum des Oberhausener Elsa-Brändström-Gymnasiums. Eigentlich zu still für eine sechste Stunde, und erst recht zu still für eine zehnte Klasse. Doch die Schüler sind voll angespannter Erwartung. Sie wissen, dass Herr Fileccia, ihr Lehrer, heute etwas Besonderes mit ihnen vorhat. Etwas, das es so an keiner anderen deutschen Schule gibt.

Marco Fileccia, ein drahtiger Mittvierziger mit kurz geschorenem Haar und freundlichem Lächeln, kramt einen Stapel selbst gebrannter CDs aus seiner Lehrertasche hervor und blickt zu seiner Klasse: "Wer von euch spielt denn Computerspiele?" Alle Hände gehen nach oben. "Umso besser", sagt er, "dann seid ihr ja gut vorbereitet auf das, womit wir uns heute beschäftigen werden."

Grinsen und Geflüster unter den Jungs. "Dieses Unterrichtsmodul heißt 'Computerspiele'. Aber hier geht es nicht einfach nur ums Zocken. Es geht um die Meta-Ebene: Ihr sollt recherchieren und euch über Computerspiele Gedanken machen."

Ein Schüler verdreht die Augen. Sein Nachbar stößt ihn in die Seite. "Auf diesen CDs findet ihr Texte von Wissenschaftlern, Statistiken, Interviews, Fernsehbeiträge und Internetlinks, die sich alle mit Games beschäftigen." Die Schüler sollen anhand der Texte Fragen nachgehen wie:

* Warum machen Computerspiele eigentlich so viel Spaß?
* Wie verändern sie unser Leben?
* Wie beeinflussen sie unsere Vorstellungen von Geschlechterrollen?
* Wie geht der Jugendmedienschutz in Deutschland mit Spielen um?
* Und wie funktioniert überhaupt die Games-Industrie?

Lehrer organisiert Lan-Party

Eilig werden die CDs verteilt, und mit Feuereifer machen die Schüler sich daran, sich in Themen einzulesen, Notizen zu machen, sich zu beraten und im Internet nach Informationen zu suchen.

Seit vier Jahren beschäftigt sich der Politik- und Informatiklehrer Fileccia nun schon in seinem Unterricht mit Computerspielen, und immer sind die Schüler hoch motiviert dabei. Nebenbei hat er noch eine Spieletest-AG ins Leben gerufen, die Game-Rezensionen für das Online-Portal spieleratgeber-nrw.de verfasst, auf dem sich Eltern über Videospiele informieren können.

Und einmal im Jahr organisiert der umtriebige Lehrer sogar eine große Lan-Party an seiner Schule, auf der er auch selbst mitzockt. "Games sind einfach mittlerweile ein so zentraler Bestandteil der Lebenswelt von Schülern geworden, dass es höchste Zeit für die Schule wird, sich endlich auch damit zu befassen", sagt er.

Fast jeder Schüler spielt

Tatsächlich ist die enorme Bedeutung digitaler Spiele für heutige Kinder nicht mehr zu übersehen. Nach Zahlen des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest spielten im Jahr 2006 hierzulande 90 Prozent der 12- bis 13-Jährigen Computer- und Videospiele. Also fast jeder. Und die Branche boomt weiterhin.

Zusätzlich zu dem Kernmarkt der Jugendlichen erschloss die Games-Industrie durch neue Konsolen wie die Wii, vor allem aber durch den Nintendo DS immer stärker auch jüngere Kinder als Zielgruppe. Und so beginnt das, was Pädagogen als "Medienkindheit" bezeichnen, dank Computerspielen immer früher: Schon in vielen Grundschulklassen besitzt die Mehrheit der Schüler heute DS-Konsolen, und mit zunehmendem Alter kommen dann in einer lückenlosen Zockerkarriere nach und nach Playstation, Xbox oder PC hinzu.

Medienkompetenz umfasst auch Games - theoretisch

Nun ist es eigentlich zentrale Aufgabe der Schule, Heranwachsende in die Lage zu versetzen, mit dieser Lebenswelt umzugehen. "Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir", heißt es. Und in der Medienpädagogik wird heute allerorten die Förderung von "Medienkompetenz" gefordert: Kinder sollen lernen, souverän Medientechnologien zu beherrschen, Medieninhalte kritisch zu hinterfragen, selbstbestimmt aus Medienangeboten auszuwählen und selbst Medieninhalte zu produzieren. Gemessen an der Hochkonjunktur des Begriffes müsste eigentlich längst an jeder Schule der Umgang mit Games gelehrt werden.

Und doch ist Marco Fileccia mit seinem Unterrichtsmodul allein auf weiter Flur: "Wenn Sie bei ihren Recherchen noch auf einen anderen Lehrer stoßen, der auch etwas in die Richtung macht", sagt er beim Abschied, "geben Sie mir doch bitte Bescheid. Ich wäre an einem Austausch sehr interessiert."

Trotz aller Forderungen nach Medienkompetenz macht das deutsche Schulwesen um Computerspiele noch immer einen weiten Bogen. Zu tief sitzt der Pisa-Schock, und zu sehr hat die "Killerspiel"- und "Medienverwahrlosungs"-Debatte der vergangenen Jahre in die Köpfe vieler Pädagogen die Überzeugung eingeimpft, dass Computerspiele nur gewalttätiger, dicker und dümmer machen können.
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Finde ich mal eine gute Idee, sollte es an mehreren Schulen geben so ein ANgebot und vor allem engagierte Lehrer, die sowas auch durchziehen.