Aromastoffe im Essen bestimmen nicht nur den Geschmack – es mehren sich die Hinweise, dass sie auch das menschliche Verhalten beeinflussen. So könnte ein Stoff in Orangensaft das Sexualverlangen anregen. Das ist aber ein wenig rätselhaft, weil das verarbeitende System beim Menschen eigentlich verkümmert ist.

Alkohol regt an, bremst aber in größeren Mengen zumindest bei Männern das physische Vermögen. Orangensaft, genauer sein Aromastoff, hat diese Nebenwirkung nicht, ist aber als sexuelles Stimulans möglicherweise ebenso wirksam. Die Sache ist noch nicht ganz klar, denn die Substanz wird über ein System wahrgenommen, das beim Menschen bis zur Funktionslosigkeit verkümmert ist. Das jedenfalls glaubte man bisher. Doch Experimente am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke zeigen, dass der Mensch zumindest noch Erbanlagen für dieses System besitzt.

Es geht um Pheromone, chemische Substanzen, die Signale zwischen den Geschlechtern vermitteln und Reaktionen auslösen, indem sie beispielsweise die Partnerwahl steuern. In Bezug auf Menschen liegt hier noch ein intensiv bearbeitetes Forschungsfeld.

Zu den durch Pheromon vermittelten Reaktionen gehört, dass Frauen, die in enger Wohngemeinschaft leben, ihre Menstruationszyklen synchronisieren. Männer können riechen, wann eine Frau ihren Eisprung hat, dann erscheint ihnen das weibliche Wesen besonders attraktiv. Frauen wiederum empfinden den Körpergeruch dominanter Männer als besonders sexy während der Tage ihres Eisprungs.
Riech-Schleimhaut degeneriert
Für die Wahrnehmung von Pheromonen verfügen Tiere, außer Vögeln und wenigen anderen Ausnahmen, über das sogenannte Vomeronasalorgan (VNO). Das VNO ist eine Riechschleimhaut, die beim Menschen als winziger Schlauch im unteren Teil der Nasenscheidewand sitzt. Nach vorherrschender Meinung aber ist das Organ so weit degeneriert, dass es beim Menschen keine Funktion mehr erfüllt. Das ist einer der Gründe, warum einige Forscher bezweifeln, dass Menschen auf Pheromone reagieren können. Organisatorisch und anatomisch sind das VNO und die Hauptriechschleimhaut der Nasenhöhle zwei unabhängige Systeme.
Im VNO sitzen Pheromonrezeptoren vom Typ 1 (V1R), die als Empfangsantennen für Duftmoleküle dienen. Mäuse besitzen 187 V1R-Gene, Menschen lediglich fünf.
Erbanlagen vorhanden
Obwohl das menschliche Vomeronasalorgan verkümmert ist, haben wir noch Erbanlagen für Rezeptoren dieses Organs. Dietmar Krautwurst testete die Funktionsfähigkeit der Rezeptoren und stellte fest, dass sie auf 19 unterschiedliche Substanzen ansprachen: "Nach unseren Ergebnissen sind alle fünf menschlichen Typ-1-Pheromonrezeptoren prinzipiell funktionsfähig. Zudem lassen unsere Daten, und auch die Befunde anderer Arbeitsgruppen vermuten, dass einige der von uns identifizierten Duftstoffe sowohl als Aromastoff als auch als Pheromon wirken können."
Dazu gehören die Aromastoffe aus Orangensaft und aus Reis, sie aktivieren die menschlichen Pheromonrezeptoren. Der Aromastoff im Orangensaft hat die chemische Bezeichnung Decanal, der in Reis heißt Nonanal. "Decanal und Nonanal sind sogar Schlüsselaromastoffe, und beide kommen auch im menschlichen Schweiß vor, vermutlich als Abbauprodukte von Mikroorganismen", sagt Krautwurst.
Rezeptoren vermitteln Geruch und Geschmack
Menschen nehmen die Aromen von Orangensaft und Reis durchaus bewusst wahr. Das spricht dafür, dass sich in der Hauptriechschleimhaut der Nase entsprechende Rezeptoren für Nonanal und Decanal befinden, die allerdings keine Pheromonrezeptoren sind, sondern "normale" Geruchs- und Geschmackseindrücke vermitteln. Zusätzlich könnten die beiden Aromastoffe noch an Pheromonrezeptoren binden und eine chemische Botschaft von Mensch zu Mensch übermitteln - nicht auszuschließen, dass es eine Botschaft mit sexuellem Inhalt ist. Das Vorkommen der beiden Substanzen in Pflanzenmaterial und in Schweiß sowie ihre Doppelfunktion als Aromastoffe und als Pheromone ist vermutlich nichts als reiner Zufall.
Niemand weiß bisher, ob die fünf Pheromonrezeptoren wirklich im menschlichen Körper existieren oder ob wir ihre Gene nur ungenutzt in unserem Erbgut mit uns herumschleppen. Doch vieles spricht für ihre Existenz. Denn die Hinweise mehren sich, dass nicht nur Tiere, sondern auch Menschen auf Pheromone reagieren.
Einatmen von Testosteron
Ivanca Savic vom schwedischen Karolinska-Institut testete an Versuchspersonen, wie zwei pheromonähnliche Substanzen auf Männer und Frauen wirken. Sie ließ Frauen ein als AND abgekürztes Abbauprodukt von Testosteron einatmen, das im Schweiß von Männern vorkommt. Umgekehrt ließ sie Männer eine abgekürzt als EST bezeichnete, mit dem weiblichen Östrogen verwandte Substanz einatmen. Mittels Positronen-Emissionstomografie registrierte die Forscherin unter dem Einfluss von EST im männlichen Gehirn eine starke Aktivität im Hypothalamus, eine Region, in der auch Tiere Pheromonsignale verarbeiten. Auf AND reagierten die Männer gar nicht. Bei Frauen zeigte sich das Gegenteil, ihr Hypothalamus reagierte auf AND, nicht aber auf EST.
Das Experiment ist ein starkes Indiz für eine Reaktion von Menschen auf Pheromone. Das Ergebnis steht auch nicht notwendigerweise im Gegensatz dazu, dass das Vomeronasalorgan des Menschen degeneriert ist. Catherine Dulac von der Harvard University gelang der Nachweis, dass bei Mäusen die Pheromonrezeptoren nicht nur im VNO lokalisiert sind, sondern auch im Hauptriechepithel der Nase.

Das könnte auch beim Menschen der Fall sein und würde die bestehenden Widersprüche lösen. Aber das wäre noch nachzuweisen. Außerdem müsste eindeutig gezeigt werden, dass Pheromone unser Verhalten beeinflussen. Dazu gehört nicht nur sexuelles Verhalten, sondern auch Imponiergehabe, Eifersucht und Aggressionen gegen Nebenbuhler. Die Schwierigkeit ist, dass Menschen solche Reaktionen gewollt unterdrücken können.
QUELLE

Na Mädels, wer will einen frisch gepressten O-Saft?