ATTACKE AUF MICROSOFT
Google will die Welt ver-Chrome-n

Von Christian Stöcker

Die Netz-Auguren im Silicon Valley sind sich einig: Googles eigener Browser - das ist ein Frontalangriff auf Microsoft. "Chrome" könnte nämlich für viele Nutzer sowohl Windows wie Microsoft Office ersetzen. Zunächst wird aber wohl Firefox leiden.

Die Nachricht verblüfft Fachwelt und Computernutzer: Google startet mit "Chrome" jetzt auch einen eigenen Browser. Schneller, benutzerfreundlicher und sicherer soll er sein, so verspricht es der Internet-Konzern - und: Ab heute Abend 21 Uhr deutscher Zeit soll "Chrome" in 100 Ländern zum Download bereitstehen. Für Microsoft ist das ein Affront.

Google-Gründer Page: Globale Dominanz-Strategie
REUTERS

Google-Gründer Page: Globale Dominanz-Strategie

Michael Arrington vom höchst einflussreichen Technologieweblog "TechCrunch" bringt es auf den Punkt: Googles "gefühlsduseliges Gerede über User Experience" sei nicht viel mehr als "eine Schicht Farbe". Die solle einen "monumentalen Hass auf Microsoft" verbergen .

Den Erklär-Comic vom Star-Zeichner Scott McCloud ("Comics richtig lesen"), den Google eigens anfertigen ließ, arbeitete man bei "TechCrunch" frech um: Der junge Herr, der im Original auf 38 Seiten die Funktionen des Browsers erklärt, sagt dort nun: "Wir hassen Microsoft wirklich." Steven Hodson von "Mashable" sekundiert mit den Worten, der Browser zeige "definitiv", dass "Google seinen Marsch fortsetzt, mit dem Ziel, alles zu dominieren, was mit Ihrem Desktop und dem Web zu tun hat". Und Om Malik vom Tech-Blog "GigaOm" ergänzt: "Da Microsoft immer noch 72 Prozent des Browsermarktes kontrolliert, kann Google es sich nicht erlauben, dieses Geschäft dem Zufall zu überlassen. Das Web ist sein Geschäft, und der Browser ist eine unverzichtbare Waffe für das Unternehmen." Der bislang "kalte Krieg" zwischen Google und Microsoft, schreibt Kara Shwisher von "All Things Digital" sei mit der Ankündigung "glühend heiß" geworden.

Bislang hat Google die Mozilla Foundation und deren Open-Source-Browser Firefox unterstützt, auch finanziell. Nun macht man dem eigenen Ziehkind Konkurrenz - mit abgeworbenen Talenten. Schon Anfang 2005 wechselten mehrere Browserspezialisten von Mozilla zu Google.

John Lilly, Chef der Mozilla Corporation, gab sich im Gespräch mit Tech-Blogger Om Malik aber zunächst unbeeindruckt. Er sei nicht besorgt, sagte Lilly: "Ich weiß wirklich nicht, inwieweit uns das betreffen wird." Er gab aber zu, dass "Chrome" eine Konkurrenz darstellen werde: "Es gibt einen neuen Browser, das verstärkt den Wettbewerb." Das müsse aber nichts Schlechtes bedeuten: "Fortschritte im Browsermarkt sind gut."

"Die Bedeutung existierender Betriebssysteme verringert"

Aber gerade die Netz-Nutzer, die den Internet-Explorer nicht mögen und Mozilla einen globalen Marktanteil von etwa 20 Prozent beschert haben, werden wohl die ersten sein, die "Chrome" ausprobieren. "Offensichtlich haben Mozillas Anstrengungen Google nicht gereicht", kommentiert Kara Swisher. Bleibt abzuwarten, ob die Suchmaschinisten ihre Marktmacht voll einsetzen werden, um ihren Browser an den Nutzer zu bringen - etwa über die Google-Startseite.

Doch der Google-Browser wird nicht nur Firefox und Microsofts Internet Explorer Marktanteile abnehmen - es geht um mehr als den Browser. Im Google-zentrischen Blog mit dem prophetischen Namen "Google Operating System" formuliert man es so: "Es ist ein Open-Source-Browser, der dafür gemacht ist, dass darin Anwendungen laufen, was die Bedeutung existierender Betriebssysteme verringern wird."

Schneller, stabiler, anwendungsfreundlicher

Das zeigen auch einige der Merkmale der Software, die in dem Werbecomic benannt werden, das angeblich versehentlich zu früh verschickt wurde: So sollen in "Chrome" Tabs, also Karteireiter, eine wichtige Rolle spielen - wie sie inzwischen in allen aktuellen Browsern Standard sind.

Im Google-Browser wird aber jedem Tab ein eigener Prozess zugrundeliegen - das klingt technisch, hat jedoch eine ganz konkrete Konsequenz: Stürzt ein Tab ab, können andere weiterlaufen, ohne dass der ganze Browser neu gestartet werden muss. Das ist ein wichtiger Punkt, wenn man in einem Browserfenster gerade ein Textdokument bearbeitet, während in einem anderen Tab gerade eine fehlerhafte Webseite zu einem Crash führt. Zudem sollen die einzelnen Tabs völlig ohne Browserrahmen angezeigt werden können - so dass Web-Anwendungen am Ende genauso aussehen wie Desktop-Programme. Schneller, stabiler und sicherer als die Konkurrenz soll "Chrome" natürlich ohnehin sein.

Doch Anwendungen im Netz sind vermutlich ein Kernpunkt des Projektes: Googles Web-Applikationen, die inzwischen fast das gesamte Office-Spektrum abdecken, will man über einen einzigen zentralen Kanal auf den Desktop bringen. Fast alle Angebote, die das Unternehmen im Lauf der Zeit ins Netz gestellt hat, sind geeignet, Microsoft Marktanteile abzunehmen: Ein Kalender, Googles E-Mail-Dienst und vor allem Google Docs & Spreadsheets, die Onlinevariante von Bürosoftware. Statt einem festinstallierten Paket bräuchte man schon heute eigentlich nur einen Browser und einen schnellen Internetanschluss. Googles Problem ist bislang: Das macht kaum jemand.

"Potentiell vollständiger Zugriff auf alles, was Ihr tut"

Die lahmenden Google-Anwendungen könnten nun durch den Google-Browser den nötigen Schub bekommen. Vor einiger Zeit hat Google mit "Gears" sogar schon die Möglichkeit geschaffen, offline weiter zu arbeiten. Diese Software sorgt dafür, dass Web-Applikationen auch ohne Netzzugang weiterlaufen können - ist die Verbindung wieder da, wird das, was inzwischen erarbeitet wurde, wieder auf den Server geschoben, On- und Offline-Version werden synchronisiert. Auch das macht bislang aber kaum jemand.

Chrome könnte nun tatsächlich das werden, was die Mozilla Foundation schon vor Jahren angekündigt hat: ein Betriebssystem fürs Internet, das Software vom lokalen Rechner nach draußen, in die Weiten des Netzes verlegt - und somit ganz nebenbei nahezu unbegrenzte Mobilität erlaubt.

Verknüpft mit der Tatsache, dass Google mit Android auch noch ein Betriebssystem für Handys auf den Markt bringt (mehr...), wird eine umfassende Strategie deutlich: Nutzer sollen bei nahezu allen digitalen Aktionen Google nutzen, egal welches Endgerät genutzt wird. Das reduziert die Hardware-Anforderungen - und steigert den - natürlich rein theoretischen! - Zugriff eines einzigen Anbieters auf alle Daten des Nutzers auf nahezu hundert Prozent.

Ein Kommentator bei "TechCrunch" formulierte es so: "Fragt Euch, warum Google einen Browser startet, und fragt Euch, ob ihr wirklich wollt, dass ein einziges Unternehmen (irgendeines, nicht nur Google), potentiell vollständigen Zugriff auf alles hat, was Ihr online tut."


http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0...575771,00.html

angucken ja, benutzen auf keinen fall. google is mir einfach zu sammelwütig.