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Hamilton gewinnt Ausfallsorgie in Melbourne
Nur sieben von 22 Autos sehen im ersten Rennen die Zielflagge - Hamilton gewinnt vor Heidfeld und Rosberg - Ferrari kassiert bittere Niederlage
So aufregend hat eine Formel-1-Saison schon lange nicht mehr begonnen! Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes) gewann den Auftakt-Grand-Prix im australischen Melbourne vor zwei Deutschen, während Ferrari eine ganz bittere Niederlage kassierte - und nur sieben von 22 Autos sahen nach 58 Runden im Albert Park die Zielflagge!
Hamilton freute sich wie ein kleines Kind über den vor diesem Wochenende nicht unbedingt erwarteten Triumph, und das mit Recht, denn der Vizeweltmeister bewahrte an einem ungemein turbulenten Nachmittag kühlen Kopf und untermauerte seine Ambitionen, das nachzuholen, was ihm 2007 durch die Lappen gegangen ist. Freude aber auch bei Nico Rosberg (Williams-Toyota), der seinen ersten Podestplatz in der Königsklasse mit einem Tänzchen mit Hamilton feierte.
19 von 22 Fahrern auf harten Reifen
Was für ein Grand Prix! Schon vor dem Start ging es chaotisch los, denn Adrian Sutil (Force-India-Ferrari) musste nach seinem Patzer im Qualifying aus der Boxengasse starten. Bereits zuvor fuhr Rosberg in seiner Runde auf den Grid durch das Kiesbett - sein Chassis überstand diesen Zwischenfall jedoch zum Glück unbeschadet. Gestartet wurde dann fast kollektiv auf den härteren Bridgestones, nur die Ferraris und Timo Glock (Toyota) fuhren mit weißer Rille los.
Hamilton hatte keine Mühe, seine Führung in die erste Kurve hinein vor Robert Kubica (BMW Sauber F1 Team) zu verteidigen, aber dahinter krachte es: Felipe Massa (Ferrari) musste Heikki Kovalainen (McLaren-Mercedes) in der ersten Kurve ausweichen und fuhr sich dabei die Nase an der Mauer kaputt, während hinten Jenson Button (Honda) und Sebastian Vettel (Toro-Rosso-Ferrari) aneinander gerieten, ebenso wie Nelson Piquet Jr. (Renault) und Giancarlo Fisichella (Force-India-Ferrari).
Im Chaos der ersten Runde wurden insgesamt fünf Autos eliminiert, darunter auch Lokalmatador Mark Webber (Red-Bull-Renault). Also wurde das Safety-Car von Renndirektor Charlie Whiting auf die Strecke geschickt. Beim Restart in der dritten Runde blieb Hamilton locker vorne, Massa kam noch einmal an die Box, um frühzeitig nachzutanken, und Kimi Räikkönen (Ferrari), nur als 15. gestartet, schien schon als Achter auf dem Zeitenmonitor auf.
Superstart von Rosberg
Einer der Gewinner des Starts war Rosberg, der sich von sieben auf vier katapultierte und Nick Heidfeld (BMW Sauber F1 Team) bis zum ersten Boxenstopp hinter sich halten konnte. Heidfeld sah zu Beginn nicht allzu stark aus, was auch daran gelegen haben könnte, dass seine Trinkflasche auslief und ihm die Konzentration raubte. Wenigstens hielt aber seine Technik, während Sutil mit Hydraulikschaden an der Box aufgeben musste.
Kubica eröffnete in der 16. Runde wie erwartet die erste Serie der Boxenstopps, Hamilton kam im 19. Umlauf rein. In etwa zur gleichen Zeit ging Räikkönen endlich an Rubens Barrichello (Honda) vorbei, der ihn zuvor rundenlang aufgehalten hatte. In der 21. Runde stoppten Rosberg und Heidfeld, die dabei Positionen tauschten, und einen Umlauf später gab dann auch Kovalainen seine zwischenzeitliche Führung beim Nachtanken wieder an den Teamkollegen ab.
Coulthard sah wegen seiner Rückspiegel nichts
In der 26. Runde setzte sich Massa mit Wut im Bauch bei Start und Ziel neben David Coulthard (Red-Bull-Renault) mit den weit außen stehenden Rückspiegeln des RB4, aber Coulthard machte die Tür zu und damit sein eigenes Auto zu Schrott. Massa konnte weiterfahren, schied aber nur wenig später mit Defekt aus. Durch die Kollision musste das Safety-Car zum zweiten Mal auf die Strecke kommen, was Hamilton seine mühsam aufgebaute Führung kostete.
Räikkönen wollte just zum Zeitpunkt der Safety-Car-Warnung an die Box, bog aber in letzter Sekunde doch nicht ab, weil dies eine Stop-&-Go-Strafe nach sich gezogen hätte - Barrichello ist dies später übrigens passiert, weil er seinen Boxenstopp mangels Benzin im Tank nicht mehr weiter hinauszögern konnte. In Führung lag unverändert Hamilton vor Kovalainen, Räikkönen, Kubica, Heidfeld, Fernando Alonso (Renault), der noch ohne Boxenstopp war, und Rosberg.
In der 31. Runde kam es zum Restart, bei dem Räikkönen Kovalainen attackierte - und scheiterte. Der "Iceman" probierte es aber in der dritten Kurve noch einmal, war schon vorbei und schlitterte ins Kiesbett, weil er zu spät bremste. Praktisch gleichzeitig schieden Piquet und Takuma Sato (Super-Aguri-Honda) aus, der bis dahin tapfer gekämpft und für ein Weilchen sogar den unauffällig fahrenden Timo Glock (Toyota) hinter sich gehalten hatte.
Kubica ein Opfer des Timings
Hamilton setzte sich an der Spitze wieder von Kovalainen ab und unterstrich seine Favoritenstellung. Verlierer all dieser Zwischenfälle war aber Kubica, denn der Pole fiel durch unglückliches Timing der Boxenstopps immer weiter zurück. Später schied er durch eine Kollision mit Kazuki Nakajima (Williams-Toyota) ganz aus - ein unwürdiges Ende nach einem bis dahin sehr starken Wochenende des BMW Sauber F1 Team Piloten.
Bevor die endgültige Entscheidung im Grand Prix fiel, drehte sich Räikkönen - wieder in der dritten Kurve - beim Bremsen hinter Glock, weil er mit einem Rad in die Wiese kam und dort natürlich keinen Grip mehr hatte. Das sollte jedoch sowieso keine Rolle mehr spielen, denn der Finne rollte wenig später langsam an die Box zurück - ein Bild, das frappierend an das Qualifying erinnerte und auf dem roten Kommandostand einige Sorgenfalten aufkommen ließ.
In Runde 43. führte McLaren-Mercedes die Entscheidung herbei, indem Hamilton aus Sicherheitsgründen zwei Runden früher als geplant an die Box geholt wurde. Kovalainen witterte dahinter Morgenluft, knabberte an seinem Rückstand und hatte plötzlich sogar eine kleine Siegchance, aber wegen eines Unfalls von Glock, der zum Glück glimpflich ausging, kam tatsächlich noch einmal das Safety-Car auf die Strecke.
Kovalainens sicherer zweiter Platz futsch
Kovalainen wurde damit zur tragischen Figur, denn als er hinter dem Safety-Car im 47. Umlauf nachtanken musste, fiel er natürlich ans Ende des Feldes zurück. Barrichello konnte wie erwähnt gar nicht mehr so lange warten, kassierte dafür eine Stop-&-Go-Strafe, überfuhr bei der Rückkehr auf die Strecke die rote Ampel und muss daher wie Landsmann Massa 2007 in Montréal mit einer nachträglichen Disqualifikation durch die Rennleitung rechnen.
Hamilton, Heidfeld und Rosberg mussten ihre Podestplätze von jenem Zeitpunkt an nur noch sicher nach Hause fahren. Dahinter fighteten Sébastien Bourdais (Toro-Rosso-Ferrari), Alonso und Kovalainen um den vierten Platz, nachdem Schlitzohr Alonso zuvor mit einem sensationellen Manöver Räikkönen und Kovalainen in einem Aufriss überholt hatte. Bourdais verabschiedete sich dann mit einem unglücklichen Motorschaden - Platz vier vor Augen.
Heißes Duell zwischen Alonso und Kovalainen
Kovalainen nahm in der vorletzten Runde Alonso ins Visier, setzte sich tatsächlich in der drittletzten Kurve neben den Renault und ging an seinem Vorgänger vorbei, aber bei Start und Ziel wurde er für einen kurzen Moment langsamer, sodass diese Freude nur von kurzer Dauer war. Alonso also Vierter, Kovalainen Fünfter, Barrichello unter Vorbehalt Sechster und Nakajima trotz Kollision mit Kubica Siebenter und Letzter. Bourdais wurde als Achter gewertet und sammelt auf jeden Fall einen Punkt.
Somit war Melbourne 2008 ein Ausscheidungsrennen nach alter Schule, in dem Hamilton eine absolut souveräne und eiskalte Vorstellung ablieferte. McLaren-Mercedes darf sich über eine starke Pace freuen, die zweifellos auch Ferrari hat - aber die Italiener stellten sich heute selbst nicht nur ein Bein. Aus deutscher Sicht blieb Heidfeld über den Erwartungen und Rosberg wurde zur großen Überraschung, was für den Rest der Saison noch viel Freude verspricht.
Ferrari und Co. haben aber schon in einer Woche beim Grand Prix von Malaysia auf dem Sepang International Circuit bei Kuala Lumpur die Chance zur Revanche. Was bleibt, sind schöne Bilder: Ein jubelnder Hamilton beim Tanzen mit Rosberg, ein strahlender Heidfeld auf dem Podium, Freude bei den deutschen Herstellern Mercedes und BMW, für die es kaum besser hätte laufen können. Und wir wünschen uns für 2008: Mehr davon, bitte!
