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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mozart brauchte kein Copyright



Mr.XaXa
29.05.2008, 14:55
Sie klagen, sehen sich als Opfer und mischen sich sogar in die Politik ein: Ohne das Copyright gehe die Kunst unter, betonen Vertreter der Musikindustrie. Das Gegenteil ist der Fall, meint Malte Welding.

Musikindustrie. Das klingt, als gäbe es an einem Ort im Ruhrgebiet eine Fabrik, wo Bohlens, Scooters oder Neptunes im Blaumann am Fließband stehen und Töne ineinander stöpseln. Tatsächlich geht es in der Musikindustrie aber nicht mehr um die Herstellung von Musik.

Was man auch liest in diesen Tagen: Immer geht es um das Copyright. Sei es in den Verhandlungen mit Apple, in denen man darauf drängt, dass Musik auf dem iPhone teurer sein soll als bei iTunes; sei es auf der Webseite des Bundesverbandes der Musikindustrie, wo man sich hoch befriedigt darüber zeigt, dass das Landgericht Oldenburg den staatsanwaltlichen Zugriff auf Daten von Anschlussinhabern auch weiterhin ohne richterlichen Beschluss zulässt; seien es die Schadensersatzprozesse in den USA um hunderttausende Dollar wegen ein paar getauschter MP3s – immer geriert sich die Musikindustrie als Opfer, dem Milliardenwerte genommen wurden.

Ein Opfer, das die Vorratsdatenspeicherung unterstützt und seine Angestellten Bettelbriefe an die Bundeskanzlerin schreiben lässt. Wenn die Politik das geistige Eigentum nicht besser schütze, werde die kulturelle Vielfalt in Deutschland abnehmen und die Zukunft würde verspielt. Schließlich sei geistiges Eigentum das Öl des 21. Jahrhunderts. So schrieben neulich einige Künstler im Namen der Musikindustrie.

Geld und Copyright

Nun hat Geld die angenehme Eigenschaft, dass es besser wird, je mehr man davon hat. Insofern sind die Bemühungen der Musikindustrie natürlich legitim. Allerdings muss es ebenso erlaubt sein, den von der Musikindustrie immer wieder behaupteten Zusammenhang zwischen Copyright, finanziellem Erfolg und der Qualität der Kunst zu hinterfragen.

Denn diesen Zusammenhang gibt es nicht. Man kann reich werden ohne Copyright und wenig Geld verdienen trotz gesicherter Rechte, man kann, obwohl man durch Musik reich geworden ist, Zukunftsressourcen verspielen und mit den Ideen anderer Geld verdienen, ob es das Urheberrecht nun erlaubt oder nicht.

Diese These ist mit einigen Beispielen auch aus der Vor-Tauschbörsenzeiten leicht zu belegen. Wolfgang Amadeus Mozart bekam für ein Engagement als Pianist 1000 Gulden. Im Jahr verdiente er 10.000 Gulden. Wikipedia gibt an, dass Mozarts Zimmermädchen einen Gulden im Monat bekam, Mozart war also ein Top-Verdiener. Und das, obwohl in ganz Europa munter Notenblätter mit Mozart-Kompositionen gedruckt wurden, es gab schließlich noch kein Copyright.

Bach im Remix

Auch Mozart profitierte von dem noch nicht durch Verwertungskanäle begradigten freien Fluss des Geistes, denn seine eigene Musik war ebenfalls nicht frei von Einflüssen. Mozarts Requiem weist erstaunliche Übereinstimmungen mit dem Requiem Michael Haydns auf. Zudem bearbeitete Mozart Bach-Fugen und ersetzte die den Fugen voranstehenden Präludien durch für Streicher geeignete Eigenkompositionen. Dafür musste er nicht mit den Erben Bachs vor Gericht – er machte es einfach. Er remixte Bach. Er mashte ihn, er fledderte die toten Noten und schuf etwas Neues.

Dieses Vorgehen, das heute zu wütenden Plagiatsvorwürfen und mindestens bis Karlsruhe führen würde, hat ganz offensichtlich weder dem Ansehen Mozarts noch dem musikalischen Erbe Bachs geschadet.

Die größte Musik, die unsere Vorfahren oder sogar unsere gesamte westliche Kultur je geschaffen hat, entstand in geradezu anarchischer Freiheit. Und trotz – oder gerade dank – dieser Freiheit konnte man als Komponist ein Vermögen verdienen.

Robbie Williams und DJ Ötzi

Robbie Williams wiederum, bestens geschützt durch ein Heer von Anwälten (nicht einmal Fotos durften deutsche Journalisten auf seiner letzten Tournee von ihm machen), hat nach seinem Deal mit EMI, der ihm 127 Millionen Euro für sechs Alben verschafft hat, ein Live-Album, ein Greatest-Hits-Album und drei Studioalben zustande bekommen.

Keines der Werke brachte den erhofften Erfolg auf dem amerikanischen Markt, keines ist im popkulturellen oder gar musikalischen Gedächtnis geblieben. Wer kennt schon jemanden, der jemanden kennt, der ein Stück des Albums «Rudebox» summen könnte? Geld macht also – wen wundert es? - nicht kreativer.

DJ Ötzi, einer der Unterzeichner des Briefes an die Bundeskanzlerin, hatte seinen Durchbruch mit «Anton aus Tirol». Sage und schreibe 17 Menschen haben all ihre Geisteskraft in dieses Stück moderner Volksmusik gesteckt und zeichnen als Urheber verantwortlich für den strammwadigen Anton. Selbst wenn auf das Kopieren von Bierzelthymnen die Todesstrafe stünde, hätte diese Ansammlung von Dichtern und Denkern schwerlich ein Vermögen aus dem Alpen-Hit schöpfen können, denn Geld hat die unangenehme Eigenschaft, dass es schlechter wird, wenn man es teilt.

Geteilte Einnahmen

Copyright macht also mitnichten die Urheber der Werke reich. Der winzige Bruchteil am Verkauf einer CD, der tatsächlich in den Taschen der Komponisten landet (das größte Stück vom Kuchen sichern sich Rechteverwerter, Industrie und Handel), muss häufig mit Komponistenkollegen und Textern geteilt werden.

Ein Rechenbeispiel: Kostet eine CD im Handel 15,99 Euro, erhält der Künstler davon 64 Cent, also 4 Prozent des Ladenpreises. Beim Download eines einzelnen Songs für 1,39 Euro beträgt der Künstleranteil 5,6 Cent. Die eigentlichen Schöpfer der Werke sind unter den gegenwärtigen Bedingungen demnach gerade nicht gestellt, als würde die Industrie sie als das Bollwerk gegen kulturellen Verfall ansehen oder der Handel ihrem Beitrag den Stellenwert des Erdöls des 21. Jahrhunderts beimessen – ihr Anteil am Erlös aus dem CD-Verkauf ist geringer als der der Gema – die erhält 6 Prozent.

Folgehits von DJ Ötzi wie «Hey Baby», «Do Wah Diddy», «Burger Dance», «Ramalamadingdong» und «Ein Stern (der deinen Namen trägt)», die jeweils hohe Chartplatzierungen erreichten, waren allesamt Cover-Versionen. Auch der Gigant DJ Ötzi kann nicht ohne Inspiration von anderen arbeiten. Gar nicht so leicht also, den einzigartig schöpferischen Wert seiner Tätigkeit zu erfassen. Die Älteren würden es ein tolldreistes Bubenstück nennen, dass ausgerechnet jemand, der die Früchte anderer (die allerdings als Urheber mitverdienen) so zahlreich zu Markte trägt, sich als Opfer von Kopisten bezeichnet.

Wer gibt 1000 Gulden?
Niemand – weder Mozart noch DJ Ötzi – schafft Musik allein aus sich heraus. Immer bedarf es der Vorarbeit von anderen. Mal bedient man sich offen aus dem Vorhandenen, mal wird man inspiriert, ein anderes Mal mag man bestehende Strömungen weiterentwickeln – aber niemals kommt man auf die Welt, wandelt taub und blind umher und schreibt dann die Zauberflöte. Man kann Musik nicht stehlen. Ein Dieb nimmt dem anderen etwas weg. Musik aber bleibt.

Für die Allgemeinheit, für die Kunst, für unser kulturelles Erbe: Es könnte nichts unwichtiger sein als die Frage, wie denn nun die Kanzlerbriefunterzeichner Monrose, Dieter Thomas Kuhn und Atze Schröder ihr Talent zu Geld machen. Manche sagen: Hätten sie nur geschwiegen, dann wären sie Friseur geblieben.

Andere wiederum verweisen darauf, dass es furchtbar unfair sei, von der harten Arbeit der Unterzeichner Klaus&Klaus gratis und schunkelnderweise zu profitieren. Denen kann nur entgegengehalten werden: Dann sollen die beiden Nordsee-Barden (ihr größter Hit «An der Nordseeküste» basiert übrigens auf dem irischen Lied «The wild Rover») halt versuchen, sich von jemandem 1000 Gulden dafür zahlen zu lassen, dass sie für ihn Klavier spielen. Zimmermädchen, die für einen Euro arbeiten, gibt es ja mittlerweile wieder genug.

QUELLE (http://www.netzeitung.de/internet/1028837.html)

Super Text, signed.

luhmän
01.06.2008, 18:54
find ich auch klasse